Johannes Gervé, Maike Gräf, Volker März, Anja Michaela Kretz, Jürgen Paas, Maria und Natalia Petschatnikov, François R. du Plessis, Thomas Putze, Yves Rasch, Babak Saed, Willi Siber, Sibylle Waldhausen, Detlef Waschkau – LOVE LOVE LOVE
02.02. – 23.03.2024
Zurück zur ÜbersichtIn der Kunst wie im Leben geht es um die Liebe. Nicht immer, aber fast. Sie ist ein menschliches Grundbedürfnis und hat doch in jeder Epoche ein anderes Gesicht. Liebe als Machtinstrument in der Antike, Liebe als Mittel zur Rettung der Welt im Christentum, Liebe als Flucht vor den Zumutungen des Lebens in der Romantik oder Liebe als liberales Alles-ist-erlaubt – mit der Welt änderten sich auch immer die Vorstellungen von der Liebe. Aber die die Sehnsucht nach ihr bleibt immer gleich. Das macht sie so interessant für die Kunst, die das schönste aller Gefühle immer wieder anders thematisiert.
Wie wird die Liebe in der zeitgenössischen Kunst dargestellt? Welche Spielarten der Liebe sind besonders interessant? Und gibt es etwas, das sie alle in sich vereint? Die Stern-Wywiol Galerie stellt dazu in der Ausstellung LOVE LOVE LOVE dreizehn Künstlerinnen und Künstler aus ihrem Portfolio vor. In Skulptur, Objekt, Malerei und Performance geben sie höchst subjektive Antworten auf subjektive Fragen.
Johannes Gervé
*1965 in Karlsruhe, lebt ebenda
Johannes Gervé ist ein gewissenhafter Beobachter, ein empfindsamer Forscher, ein melancholischer Reisender und Maler. Seine Malerei steht in der Tradition von Klassikern der Farbfeldmalerei wie Marc Rothko oder Gotthardt Graubner und folgt dabei einem ganz eigenen Ansatz. Nicht von ungefähr sind viele seiner Bilder im Querformat gehalten und wecken gelegentlich die Assoziation einer Landschaftsdarstellung. Bei längerer Betrachtung findet das Auge des Betrachters horizontale Farbstrukturen, die sich als Vorder- und Mittelgrund deuten lassen und dem Bild Tiefe verleihen. Jedoch bleibt es stets bei zarten Andeutungen, die sich vor dem inneren Auge jederzeit wieder auflösen können. Bildgegenstand ist immer die Farbe an sich, mal transparent und mal pastos aufgetragen, feinstens nuanciert und voller Klänge.
Wenn eine Farbe für die Liebe steht, dann ist es Rot. Rot ist eine körperliche Farbe, da auch unser Blut rot ist. Sie steht auch für Sexualität. Sie lässt unser Herz schneller schlagen, ist kraftvoll uns aggressiv. Im Eintauchen in die rote Farbwolke der Red Stripes von Johannes Gervé könne wir die physische Präsenz der Farbe erleben.
Maike Gräf
*1976 Müllheim/Baden, lebt ebenda
Maike Gräfs Skulpturen sind in klassischer Manier aus dem Holz geschnitten. Formal lassen sie an Comic Strips, Mangas und Graffiti denken. Sie schöpfen gleichzeitig aus dem Erbe von Kubismus und Expressionismus und überführen das altmeisterliche Ideal der figura serpentinata in die heutige Zeit. Mit ihren klassischen Themen Leben, Liebe, Tod bezieht sich Maike Gräf auf grundlegende Fragen unseres Daseins und schafft aus Vertrautem aufregend Neues. In ihrem neuen Werkzyklus adaptiert die Künstlerin klassische Werke der Kunstgeschichte und mischt sie mit dem Formenrepertoire von Street Art und Pop.
Maike Gräfs Venus 2021, die eine Auseinandersetzung mit der Venus von Botticelli darstellt, ist vom begehrten Objekt zum selbstbestimmten Subjekt geworden, die ihr Gegenüber offen und positiv anblickt. Auch die von der Venus von Willendorf inspirierte Heißzeit ist nicht mehr nur bloßes Fruchtbarkeitssymbol, sondern bestimmt selbst über ihre Fruchtbarkeit – ihre Tutti frutti Brüste sind abschraubbar.
Volker März
*1957 Mannheim, lebt in Berlin
Volker März ist ein politisch denkender und konzeptuell arbeitender Künstler, der seine Reflexionen in einem erzählerischen Rahmen ausbreitet. Ganz im Sinne seiner gesellschaftlichen Themen beschränkt er sich dabei nicht auf eine Kunstgattung, sondern arbeitet spartenübergreifend in Bildender Kunst, Musik und Literatur. Seine farbigen Tonfiguren sind oft satirisch zugespitzt oder phantastisch verfremdet und agieren Schauspielern gleich miteinander.
Volker März‘ Werke sind in zahlreichen Ausstellungen zu sehen und sorgen regelmäßig für Besucherrekorde. Seine Lesungs-Performances aus eigenen Texten sind ein Erlebnis. Sein Werk ist in vielen öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten.
Seine neueste Werkserie Kussmuss entstand in der Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Pandemie, die körperliches Berühren verhindert, erschwert und unbeholfener gemacht hat, obgleich wir die körperliche Nähe eines geliebten Menschen herbeisehnen. Der Kuss muss sozusagen passieren, wir können nicht ohne. Die sich Küssenden stehen also für eine Sehnsucht, einen Trieb und das gesellschaftliche Entfernen davon. Sie sind Ausdruck unserer Fähigkeiten zu lieben. Und damit auch Hoffnungsträger.
Anja Michaela Kretz
*1966 Koblenz, lebt in Baden-Baden
Die Konzeptkünstlerin und ehemalige Meisterschülerin von Stephan Balkenhol geht aus von unserer inneren Welt, von unseren Gefühlen und Erinnerungen, für die sie konkrete Bilder und Metaphern sucht. Sie arbeitet mit unterschiedlichsten Materialien und in einer Vielzahl von Techniken. Anja Michaela hat einen instinktiven und sicheren Zugriff auf ihre Themen und das verwendete Material. Ihre Werke vereinen Poesie und Präzision, abstrakte Idee und perfektionistische Technik. Sie geben der Handwerklichkeit ihren Stellenwert in der zeitgenössischen Kunst zurück und sind damit ebenso aktuell wie zeitlos.
Die beiden Dearest sind nebeneinandergestellt, wie Partner in einer Beziehung. Sie bestehen aus vielen Schichten, die als eine Ansammlung von gemeinsamen Erinnerungen gelesen werden können. Sie fallen nicht immer gleich aus und nicht alle sind zugänglich, aber sie machen die Beziehung aus.
Jürgen Paas
*1958 Krefeld, lebt in Essen
Jürgen Paas arbeitet in einer Doppelrolle als Maler und Bildhauer. Er reiht gemalte Flächen in blockhaften Depot-Konstruktionen hintereinander und verdichtet so malerische Flächen zu rhythmisch strukturierten Raum-Objekten. In seinem minimalistischen Werk beschäftigt er sich mit Farbe, Fläche, Struktur und Volumen. Dabei führt er die formale Auseinandersetzung auf eine inhaltliche Ebene, indem er das Sammeln, Bewahren, Präsentieren und Ordnen von Kunst an sich zum Thema macht.
Jürgen Paas‘ Werk ist in zahlreichen Museums-, Kunstvereins- und Galerieausstellungen zu sehen und in vielen öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten.
Sein Popplanet erzählt von der Liebe zu Farben und Formen, die der Künstler scheinbar streng geometrisch aufeinanderschichtet. Die ordnende Strenge wird durch die kontrastreichen Farben und das Abweichen von der Symmetrie aber lustvoll durchkreuzt. Ein Spiel von Balance und Chaos.
Maria und Natalia Petschatnikov
*1973 St. Petersburg, leben in Berlin
Maria und Natalia Petschatnikov erfinden sich als Künstlerinnen immer wieder neu. Ganz im Sinne der Konzeptkunst passen sie Technik und Material dem jeweiligen Thema an. Ihre Gemälde, Zeichnungen und Plastiken inszenieren sie zu raumgreifenden Gesamtinstallationen, die die Unterscheidung von Malerei und Objekt durch zahlreiche trompe l‘œil -Effekte verwischen. Die Serie Dogs ist den Berliner Hunden und ihren Besitzern gewidmet. Sie sind individuell und anonym, Teil ihrer Herrchen und eigenständige Persönlichkeiten zugleich.
Das Werk der Künstlerinnen wird in zahlreichen Kunstvereinen und Museen gezeigt, immer in aufwändigen, ortsspezifischen Installationen.
Die barocken Garten-Vasen der konzeptionellen Künstlerinnen scheinen sich zu bewegen, belebt zu sein. Als ob sie miteinander kommunizieren. Ihr trompe l’œil Material Porzellan steht einerseits für etwas sehr Kostbares, aber auch etwas sehr Zerbrechliches, Fragiles. Wie die Liebe selbst. Die Liebhaberei zu Dingen und damit die nostalgische Liebe wird ebenso thematisiert.
François du Plessis
*1961 Harare, lebt in Aachen
François du Plessis‘ Bildhauermaterial sind Bücher, deren farbige Schnitte er zu Objekten von intensiver Sogwirkung verarbeitet. Er lotet Alltagsgegenstände inhaltlich und formal neu aus, indem er die abstrakte Formensprache der Moderne aufgreift und umdeutet. Er nimmt damit eine wichtige Position im zeitgenössischen Diskurs der „grenzenlosen Skulptur“ heute ein. Du Plessis stellt seine Werke in einem aufwändigen handwerklichen Prozess her, der ihnen auch anzusehen ist. Handarbeit und abstrakte künstlerische Idee gehen eine selbstverständliche Synthese ein und sind auch damit ganz auf der Höhe des aktuellen Kunstdiskurses.
François du Plessis wählt immer den Titel eines verarbeiteten Buches als Werktitel aus. Atlas of the Heart könnte ein Liebesroman sein, der im Werk eingebunden ist. Der Künstler gibt der uralten Technik des Speicherns und Weitergebens von Wissen eine konkrete Form. Auch im Internetzeitalter sind Bücher ein Abbild unserer kulturellen Identität.
Thomas Putze
*1968 Augsburg, lebt in Stuttgart
Der Bildhauer, Zeichner, Performancekünstler und Musiker Thomas Putze hat einen ganz besonderen Blick auf die Welt. Er sammelt die Dinge, die wir als unbrauchbar aussortieren und arbeitet sie in seine Holzskulpturen ein. Was auf den ersten Blick burlesk erscheint, ist auf den zweiten Blick eine ebenso intelligente wie humorvolle Gesellschaftsanalyse. Mit seinen hintergründigen Arbeiten ist Thomas Putze ein wichtiger Vertreter der aktuellen Junk-Art.
Sein Werk ist in vielen Kunstvereins- und Galerieausstellungen zu sehen und in verschiedenen öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten. Mit zahlreichen Performances ergänzt er sein bildnerisches Werk.
Thomas Putze nimmt sich der schmerzvollen Seiten der Liebe an, die wie ein Dolch treffen kann (z.B. Getroffen). Gefangensein und Abhängigkeit sind ebenso Teil der Liebe wie Leichtigkeit und Symbiose. Ebenso gegensätzlich ist der Stil des Künstlers. Hier mischen sich barocke Bewegtheit mit rauh bearbeiteten Holzoberflächen, Expressivität mit minimalistischer Konzentration.
Yves Rasch
*1979 Hamburg, lebt in Groß Schmölen (Mecklenburg)
Yves Raschs Material ist Holz, das er in einem bildhauerischen Prozess in abstrakte biomorphe Formen verwandelt, die mit der natürlichen Anziehungskraft und Unregelmäßigkeit des Materials arbeiten.
Der Serie der Unendlichen ist die Figur der liegenden Acht als ein Symbol für die Unendlichkeit eingeschrieben. Durch die Konzentration von Volumen an den Scheitelpunkten der Bewegung erzeugt der Künstler ein auseinanderstrebendes Moment. Die Verbindungen im Inneren der Form sind ein Gegenpol dazu und halten die Skulptur in einem fragilen Gleichgewicht räumlicher Spannung.
Zwischen Form und Material sowie zwischen Anschauung und eigenem Körperempfinden schaffen die Skulpturen eine glückliche Resonanz, die den Betrachter emotional berührt. Die beiden Sphären sprechen nicht nur zum Betrachter, sondern auch miteinander. Sie scheinen die Bewegung des anderen fortzuführen, wie in einer Beziehung, in der sich die Partner einander ergänzenden.
Babak Saed
*1965 Maschhad (IRN), lebt in Bonn
Babak Saeds Thema ist Kommunikation. Er verwendet Sprache als Bild und knüpft damit an die westliche Konzeptkunst und die Tradition der Schriftwerbung an. Aber auch seine Herkunft aus dem Iran spielt eine Rolle – die traditionelle islamische Kunst lebt von der Kunstfertigkeit und Ornamentalisierung der Schrift. Lebensphilosophische und gesellschaftliche Fragen werden von ihm in äußerster sprachlicher Reduktion und ambivalenten Formulierungen intelligent und spielerisch visualisiert.
Babak Saeds Kunst ist in zahlreichen Privatsammlungen vertreten. Als Kunst am Bau bereichert sie viele öffentliche Gebäude v.a. im Rheinland.
Mit dem Werk ICHBISTDUDUBINICH fordert uns Babak Saed auf, über das ineinander Aufgehen und die Identifizierung mit dem Anderen und dem Ich zu reflektieren. Wie man sich selbst und durch den Anderen sieht ist nicht nur durch den Spiegel zum Thema gemacht.
Willi Siber
*1949 Eberhardzell, lebt in Oberschwaben
Stets lotet Willi Siber die Grenze zwischen Materialerfahrung und -möglichkeit aus. Er lässt geometrische Formen ins Anthropomorphe spielen, vergrößert Mikrostrukturen zu geometrischen Mustern, verbindet Nägel zu luftigen Farbwolken, lässt tonnenschwere Stahlarbeiten ätherisch schweben. Lustvoll demontiert Willi Siber künstlerische Ordnungsprinzipien und eingeübte Seh-Erfahrungen und erfindet sich dabei immer wieder neu.
Willi Sibers Werk ist in zahlreichen Kunstvereins- und Galerieausstellungen sowie weltweit auf vielen Kunstmessen zu sehen und in zahlreichen öffentlichen wie privaten Sammlungen vertreten.
In der Aufstellung stehen ein rotes und blaues Werk zusammen, wie Frau und Mann, sie glänzen und leuchten wie ein glückliches Paar.
Sibylle Waldhausen
*1963 Berlin, lebt in Berlin
Sibylle Waldhausens Interesse gilt der menschlichen Figur. In genauester Beobachtung filtert sie die wesentlichen Bestandteile unserer Körpersprache heraus und übersetzt sie in Archetypen der menschlichen Natur. Ihre Formen sind fein gezeichnet und schematisiert, ihre Figuren individuell und überpersönlich zugleich. Die Figuren zeichnen universelle Bilder des Humanen – dass es oft Frauen sind, liegt im bildhauerischen Potential der weiblichen Form ebenso wie in einer selbstverständlichen, gelebten Emanzipation begründet. Der medialen Welt begegnet sie dabei mit einem uralten Material – Bronze – und traditioneller plastischer Handarbeit.
Ihre Daphne erzählt die Geschichte der nicht erwiderten Liebe. Lieber ein Baum sein, als eine Beziehung zu Apollo einzugehen. Dabei konzentriert sich die Künstlerin auf den weiblichen Part, der nachstellende Apollo wird nicht gezeigt. So aus dem Kontext gerissen und ohne Kenntnis der antiken Sage, kann sie nun auch positiv als wachsend und in Veränderung begriffen gelesen werden.
Detlef Waschkau
*1961 Hannover, lebt in Berlin
Detlef Waschkau erzählt in seinen farbigen Holzreliefs und Papierarbeiten von der permanenten Transformation der Großstädte. Berlin, Tokio, Beijing und New York werden immer größer, dichter und ähnlicher. Mit dem Gegensatz von Masse und Individuum, Freiheit und Begrenzung greift der Künstler wesentliche Fragen der modernen Welt auf. Er fängt er die Eigenheiten der verschiedenen Städte und Kulturen ein und malt gleichzeitig das Bild einer universellen städtischen Lebensform.
Der Künstler findet seine Motive während ausgedehnter Reisen und Residenz-Aufenthalte. Seine Werke werden jeweils auch vor Ort ausgestellt und sind ebenso polyglott wie er selbst.
Für die Ausstellung hat Detlef Waschkau eigens eine Reliefserie von drei Ansichten der berühmten New Yorker Skulptur LOVE von Robert Indiana gefertigt. Das Triptychon ist ein Blick auf die Liebe, wie sie in der Kunst thematisiert wird und verweist so auf das selbstreferenzielle Moment der Liebe.