Jürgen Paas, Christian Frosch, Paul Schwer – PAINTINMOTION
21.06. – 14.09.2019
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Christian Frosch, Jürgen Paas, Paul Schwer
Welche Künstler finden Künstler gut? Die Stern-Wywiol Galerie zeigt neue Arbeiten ihres Galeriekünstlers Jürgen Paas und stellt die von ihm eingeladenen Künstler Christian Frosch und Paul Schwer vor
Die Ausstellung vereint drei künstlerische Ansätze, die sowohl mit klassischen Farben als auch mit industriellen Materialien wie MDF, PVC und PET arbeiten. Das ebenso unentbehrliche wie umstrittene und allgegenwärtige Material Plastik steht wie kein anders für unser Zeitalter oder wie der französische Philosoph Roland Barthes schreibt, „Plastik ist die Idee seiner unendlichen Transformation“. Die Künstler versetzen Plastik formal wie inhaltlich in Bewegung, eignen es sich neu an und deuten es um.
Jürgen Paas arbeitet stets in einer Doppelrolle als Maler und Bildhauer. Für seine neue Werkserie JUKEBOX lässt er farbige Kunststoffstreifen in Holzpaneele ein. Mit der Bewegung des Betrachters beginnt das minimalistische Streifenraster sich zu verändern, zu flimmern und offenbart die Finessen der malerischen Farbgebung. Im Stillstand ist nichts zu gewinnen – wie immer vor den Arbeiten von Jürgen Paas.
Christian Frosch betreibt „Malereiforschung“. Er befragt den Urstoff der Malerei – die Farbe – nach ihren physischen wie emotionalen Eigenschaften. Aus Versuchsanordnungen mit Plastikbechern und eingefüllter Lackfarbe entstehen so Skulpturen, die die Schönheit des Zufalls und die Opulenz der Farbe feiern und ihre Gestaltung ausschließlich der chemischen Zusammensetzung von verschiedenen Kunststoffen (Becher und Lack) verdanken.
Paul Schwer sagt von seinen raumgreifenden Skulpturen: „Das ist alles Malerei“. Große Kunststoffplatten werden von ihm zunächst mit geometrisch-abstrakten Motiven bemalt, anschließend erhitzt und dann verformt. Der Zufall ist das entscheidende Moment, das die Malerei verändert und die Form der Skulptur bestimmt.
Zur 21. Galerie-Ausstellung überrascht einmal mehr, welch ungeheure Vielfalt es in der zeitgenössischen Skulptur gibt, überrascht, wie ganz anders die Räume durch die neue Kunst wieder aussehen, überrascht, mit welchen Ideen die Künstler arbeiten.
Mit dem Titel PaintINmotion treffen wir den Kern der Kunst, aber auch unserer Zeit. Bewegung oder auch Wandel ist das kennzeichnende Merkmal unserer Zeit und Sie finden den Begriff überall. Ich glaube, selten war so viel davon in einer so kurzen Zeit, angefangen bei der Technik mit dem Beginn des digitalen Zeitalters, über die Neujustierung von Geschlechterdefinitionen bis hin zur globalen Jugendbewegung der „Fridays for future“, an der niemand mehr vorbeikommt. Aber lassen Sie mich zur Kunst zurückkehren.
Schon der griechische Philosoph Heraklit befand „Panta rhei“ – „Alles fließt“. Alles bewegt sich, nichts bleibt wie es ist. Die Welt ist ein ständiges Werden und Wandeln. Stillstand bedeutet Tod.
PaintINmotion, Farbe in Bewegung ist der Titel unserer neuen Ausstellung, und es ist im übertragenen Sinne auch eine Lebensmaxime.
Für die Kunst ist es bezogen auf das Ur-Material aller Gestaltung, die Idee, dass die Farbe keine statische Größe ist, kein nur „dienendes“ Ausgangsmaterial, sondern eine eigene, veränderliche und veränderbare Materie. Es ist die Grundphilosophie der drei Künstler dieser Ausstellung und dieses Abends.
Jürgen Paas, der vielen von Ihnen schon aus vorigen Ausstellungen bekannt ist, hat zwei Künstlerkollegen eingeladen, die, wie er selbst, nach dieser Maxime arbeiten. Ich begrüße also sehr herzlich
Christian Frosch
Jürgen Paas und
Paul Schwer
Keiner der drei Künstler ist mit einer klassischen „Berufsbezeichnung“ charakterisierbar und jeder der drei Künstler hat für sich eine ganz eigene gefunden.
Christian Frosch bezeichnet sich als „Malereiforscher“. Mit Mitte 20 begann er ein Studium der Malerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste München. Schon im Studium war der Ansatz da, systematisch zu erforschen, was Kunst eigentlich ist und wie man sie macht. So ist es nur folgerichtig, dass Christian Frosch immer im Bereich der Vermittlung gearbeitet hat und etwa angehenden Kunstpädagogen die Grundlagen der Bildenden Kunst nähergebracht hat. Heute lehrt Christian Frosch als Professor für Malerei/Zeichnung/Raum und interdisziplinäre künstlerische Strategien am Caspar-David-Friedrich-Institut der Ernst-Moritz-Arndt Universität Greifswald. In seiner Kunst legt er Versuchsreihen an, in denen er die Veränderlichkeit von Farbe und Untergrund analysiert. Er macht den Prozess der Materialveränderung zum Thema seiner Kunst und testet das Fließ- und Trocknungsverhalten von Farbe, die Saugfähigkeit verschiedener Papiere, die Festigkeit von PVC. Daraus erschafft er Kunstwerke, die eine analytische Strenge haben, aber gleichzeitig auch eine große poetische Schönheit und einen feinen Humor. Ich finde, das ist eine perfekte Mischung!
Jürgen Paas wollte schon immer Künstler werden. Er sieht sich als „klassischen Material-Maler“. Er beginnt mit Mitte 20 ein Studium der Malerei an der Folkwang Universität der Künste. Ihn faszinieren die Gesetze der Gestaltung, wie die Farben und Formen untereinander wirken, welche Wirkungen warum zu erzielen sind. Das klingt erst einmal naheliegend und ist ja auch DAS Grundthema jeder Malerei. Ungewöhnlich ist, dass sich der junge Künstler bald von den klassischen Materialien abwendet und sich industriell hergestellte Materialien sucht. Diese Materialien – farbige PVC-Bänder und MDF – sind vorgegeben und unpersönlich. Sie so einzusetzen, dass sie wie klassische Farbe funktionieren, dass man mit ihnen ebenso eine Emotion kreieren kann, dass man mit ihnen den Betrachter selbst in Bewegung setzen kann, das ist das Besondere an der Kunst von Jürgen Paas.
Wenn Sie sich die Ausstellung anschauen, meine Damen und Herren, so werden Sie die Werke von Paul Schwer sicher am ehesten als Skulpturen wahrnehmen. Und was sagt der Künstler dazu? „Alles was ich tue, tue ich als Maler. Das ist alles Malerei.“ Das Offensichtliche ist nicht immer das Wesentliche! Schon im Werdegang des Künstlers lässt sich diese Maxime ablesen. Paul Schwer studierte zunächst Medizin, promovierte, machte eine Ausbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und arbeitete fast 20 Jahre in diesem Beruf. Immer aber war klar: Das ist kein Dauerzustand. Die Beschäftigung mit der Kunst lief immer mit, der Mediziner begann parallel ein Kunststudium und irgendwann war klar, dass die Kunst wichtiger ist. Mit Mitte 40 verließ Paul Schwer sein Dasein als Dr. Med. und machte ausschließlich das, was er immer machen wollte – Kunst. Wesentlich ist dieser Kunst die Transformation, die Bewegung. Wie die Malerei in den Raum kommt, wie aus Gemälden Skulpturen werden, wird Ihnen Frau Dr. Reeckmann gleich näher erklären, ebenso wie die Werke von Christian Frosch und Jürgen Paas.
Ich möchte hier noch einmal zurückkommen zum Titel unserer Ausstellung PaintINmotion. Leben ist Veränderung, ist Bewegung. Was uns alle heute bewegt, gesellschaftlich wie privat, jugendlich oder nicht, ist die atemberaubende Geschwindigkeit des Wandels. Die Kunst hilft uns, solche Prozesse in einem anderen Licht zu sehen. Sie zeigt uns das Potential von Bewegung und lässt uns darüber nachdenken, wie Veränderungsprozesse im Detail ablaufen. Das ist ästhetisch wie intellektuell erfrischend und ermutigend – das kann nur die Kunst und das ist das Wunderbare an ihr!