Yves Rasch – Denken in Holz
05.06. – 31.10.2012
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Wir werden dazu verleitet, die Skulpturen von Yves Rasch abzutasten, sie zu berühren – die organischen Einschwingungen und Ausschwingungen mit den Händen nachzuvollziehen – oder wenigstens ersatzweise mit den Augen, solange die Skulpturen in der Galerie stehen!
Die sanften Rundungen, die Wölbungen und Kuhlen animieren uns, sie mit den Augen nachzufahren, das glatt polierte Holz zu streicheln wie einen bloßen Arm oder einen Kopf.
Diese Animierung unseres Körperempfindens bildet den ersten und direkten Zugang zu den Skulpturen, vor aller Interpretation und Ausdeutung.
Was dann ins Auge springt, ist die duale Form, die fast allen Skulpturen von Yves Rasch eigen ist – und ihre Dynamik.
Eine innere Bewegung, in der die Masse aufzusteigen scheint – empor zu wachsen, wie der Baum, aus dem das Holz stammt, aus dem die Skulptur gefertigt ist.
Und dann auch wieder nicht: Denn ein Baumstamm wächst, wenn er nicht gehindert wird, zielstrebig zum Licht empor, also gerade, während die Skulpturen in Windungen, Bögen ja Spiralen sich aufwärts schwingen oder drehen, dergestalt sich von der Schwerkraft befreiend.
Prof. Dr. Hubertus Gaßner
Rede zur Vernissage von "Denken in Holz" von Prof. Dr. Hubertus Gaßner, 05.06.2014
Ich weiß nicht, wen ich mehr beglückwünschen soll, Herrn Wywiol für seine Idee und Initiative, in seinem Firmensitz an der Alster eine Galerie zu eröffnen, oder Yves Rasch, dass ihm das Glück zuteilwird, mit seiner Ausstellung diese neue Galerie einweihen zu können.
Ich bin mir sicher, dass diese Galerie die Kunstszene in Hamburg bereichern wird, und das nicht nur wegen ihrer exponierten Lage so nahe an der Kunsthalle und der Außenalster, mit St. Georg und dem Hotel Atlantik an ihrer Seite, sondern auch aufgrund ihres Programms und Profils.
Denn nach dem Willen von Herrn Volkmar Wywiol wird sie sich vor allem der Skulptur und Bildhauerei widmen, und dabei immer auch die Künstler in und um Hamburg im Auge haben.
Diese Schwerpunktsetzung hat mich zuerst überrascht – ist die programmatische Ausrichtung einer Galerie auf Skulptur doch eher –zumal in Deutschland – ungewöhnlich. Eine Galerie für Skulptur und Bildhauerei ist ein wirkliches Desiderat, das die Galerie Stern-Wywiol nun ausfüllen wird. Dafür gilt Herrn Wywiol unser ganz besonderer Dank.
Ich sage für einige der hier Versammelten wohl nichts Neues, wenn ich darauf hinweise, dass diese spezielle Ausrichtung der Galerie auf Bildhauerei nicht irgendeinem wirtschaftlichen Kalkül oder der Spekulation auf ein Alleinstellungsmerkmal zu verdanken ist, sondern dem Wunsch des heute so überaus erfolgreichen Geschäftsmannes Wywiol in jungen Jahren selbst einmal mit Hammer und Stecheisen das Holz zu bearbeiten, kurz: selbst Bildhauer zu werden.
Es liegt deshalb auch nahe, dass er sich nun als weltweit operierender Geschäftsmann seinen Jugendwunsch wenigstens insoweit erfüllt hat, als dass er junge Bildhauer um sich versammeln will.
So überrascht es auch nicht, dass Herr Wywiol es selbst war, der den Hamburger Bildhauer Yves Rasch ausgewählt hat, seine Galerie mit seiner Schau zu eröffnen: Eine programmatische Wahl: ein junger Hamburger Bildhauer, der in Holz und Bronze arbeitet, und seit 2002 als freischaffender Künstler tätig ist. Bei Erich Gerer ging er als Bildhauer von 2004 –2009 in die Schule, um bei ihm seine handwerklichen Fähigkeiten vervollkommnen.
Vor der heutigen monographischen Ausstellung hat Yves Rasch bereits an zahlreichen anderweitigen Ausstellungen teilgenommen, so
- Im Schloss Reinbek
- im Schloss in Bad Bramstedt
- In Harburg und in Jesteburg.
Aber auch in England und in Dänemark, in St. Blasien und in Berlin war Yves Rasch in Ausstellungen und auf Bildhauersymposien vertreten.
Was sehen wir in dieser Ausstellung, die die umfangreichste unter den bisherigen ist?
Skulpturen sprechen uns erst einmal körperlich an. Als dreidimensionale Gebilde im Raum lösen sie in uns körperliche Empfindungen aus – wenn sie uns berühren: innerlich, und wenn wir sie berühren wollen: äußerlich, mit den Händen.
Die Skulpturen von Yves Rasch berühren uns in besonderer Weise, weil sie die Sprache des Körpers sprechen und unser Empfinden deshalb in Schwingung versetzen: sie finden in unserer Körperempfindung ihre Resonanz – als Form und als Material.
Wir werden dazu verleitet, die Skulpturen abzutasten, sie zu berühren – die organischen Einschwingungen und Ausschwingungen mit den Händen nachzuvollziehen – oder wenigstens ersatzweise mit den Augen, so lange die Skulpturen in der Galerie stehen!
Die sanften Rundungen, die Wölbungen und Kuhlen animieren uns, sie mit den Augen nachzufahren, das glatt polierte Holz zu streicheln wie einen bloßen Arm oder einen Kopf.
Diese Animierung unseres Körperempfindens bildet den ersten und direkten Zugang zu den Skulpturen, vor aller Interpretation und Ausdeutung.
Was dann ins Auge springt, ist die duale Form, die fast allen Skulpturen von Yves Rasch eigen ist – und ihre Dynamik.
Eine innere Bewegung, in der die Masse aufzusteigen scheint – empor zu wachsen, wie der Baum, aus dem das Holz stammt, aus dem die Skulptur gefertigt ist.
Und dann auch wieder nicht: Denn ein Baumstamm wächst, wenn er nicht gehindert wird, zielstrebig zum Licht empor, also gerade, während die Skulpturen in Windungen, Bögen ja Spiralen sich aufwärts schwingen oder drehen, dergestalt sich von der Schwerkraft befreiend.
Das ist der eine Dualismus, den wir empfinden: von ihrer Basis, dem tiefsten Punkt der Skulptur, steigen die Formen empor, erheben sich über die Eigenschwere des Materials, zumeist in scheinbar so biegsamen Kurvaturen, dass die Elastizität und Eleganz der Schwünge Bewunderung für die technische Meisterschaft hervorruft, die sie aus dem harten Material zaubert.
Bei diesem Aufschwung aus ihrer Erdenschwere, der uns das Gefühl von Weite, Freiheit und Lebendigkeit vermittelt, verzweigt sich die Basis der Skulptur zumeist in zwei Arme, bisweilen auch in zweimal zwei Stränge.
Dies ist der zweite Dualismus, den wir wahrnehmen.
Neben den Polen unten und oben, schwer lastend und leicht empor steigend, verzweigt sich die Skulptur zur Rechten und zur Linken, tritt in einem Paar oder Doppelpaar auseinander.
Bei einigen Skulpturen winden sich die beiden Arme ineinander, spiralförmig – und steigen gemeinsam nach oben.
Bei anderen wachsen die Arme parallel zueinander, u-förmig nach oben – oder besser: wie Blütenblätter himmelwärts und laufen in zartesten Spitzen aus, den Holzblock gleichsam entmaterialisierend.
Bei wieder anderen Skulpturen kehren die zunächst auseinander strebenden Glieder wieder in sich zurück: das Bild der Vereinigung nach einer vorläufigen Trennung:
Umarmung in symmetrischer Umschlingung.
Das Holz sehnt sich!
Sie bemerken, dass ich ein anthropomorphes Vokabular verwende, und in der Tat haben die Skulpturen von Yves Rasch mit ihrer inneren Bewegung und Formentwicklung zwischen den Polen unten und oben, rechts und links eine starke Entsprechung zu unserer eigenen Körpererfahrung, mit den Füßen auf dem Boden und dem Kopf in der Höhe, mit den Armen rechts und links –eine Entsprechung ungeachtet aller Abstraktion der Form in den Skulpturen.
Ich behaupte natürlich nicht, dass diese Skulpturen den menschlichen Körper abbilden – ganz und gar nicht; aber sie übertragen unseren Bewegungssinn, unser Bewegungsempfinden auf das Material.
Dieser Einklang mit dem Empfinden unseres eigenen Körpers oder mit dem körperlichen Empfinden zwischen zwei Menschen, erzeugt die Resonanz zwischen der Skulptur und mir, verleiht den Skulpturen von Yves Rasch eine hohe Emotionalität, die uns berührt, trotz aller Reduktion und Abstraktion der Form.
Die Form ist natürlich nichts ohne das Material, in dem sie sich verkörpert.
Yves Rasch ist vor allem Holzbildhauer, auch wenn er die eine oder andere seiner Skulpturen in Bronze nachgießen lässt. Aber dies ist ein sekundärer Prozess des Abformens der Urform.
Zuerst ist das innere Vorstellungsbild da, für das sich der Bildhauer das geeignete Stück Holz sucht, in dem er sein inneres Bild vergegenständlichen kann.
Ein komplizierter, ein riskanter Prozess – aber auch ein rauschhafter, in dem das Innere zum Äußeren, in dem die Idee zur Materie wird.
Riskant, weil leicht das Scheitern inbegriffen ist, wenn das Holz nicht materialgerecht bearbeitet wird – es reißt, es bricht auseinander und entzwei.
Fast immer ist die Mitte der Skulpturen leer, der Kern des Baumstamms entfernt. Das hat vor allem statische Gründe: Die Entkernung der Masse verhindert das Reißen des Holzes.
Aus dieser Entkernung aber ergibt sich auch – zumindest teilweise die Form:
Das Auseinanderschwingen und Ineinanderschwingen um eine leere Mitte, die umschlossen und umspielt wird, und damit als Negativform ebenso als Form wirkt, wie die Form des Materials.
Zwischen Form und Material sowie zwischen Anschauung und eigenem Körperempfinden schaffen die Skulpturen eine glückliche Resonanz, die uns in Schwingung versetzt und deshalb hoch erfreut.
Prof. Dr. Hubertus Gaßner, 05.06.2012