Volker März – Ooops … I’m so sorry for the truth!
05.09.2014 – 17.01.2015
Zurück zur ÜbersichtVolker März, geboren 1957 in Mannheim, studierte von 1977-1983 an der Hochschule für Bildende Künste Berlin und lebt heute als freischaffender Künstler in Berlin.
Sein Werk umfasst Skulptur, Malerei, Fotografie, Musik, Performance und Bühnenbild, die er mit eigenen Texten begleitet und in seinen Ausstellungen zu begehbaren Installationen, zum Gesamtkunstwerk verbindet. Volker März arbeitet dabei stets themenbezogen, oft auch in Auseinandersetzung mit historischen Persönlichkeiten. Friedrich Nietzsche etwa, Hannah Ahrend, Franz Kafka oder Walter Benjamin sind Persönlichkeiten, deren Lebens-, Werk- und Rezeptionsgeschichte ihm Anlass zur Reflexion bietet. Zeitgeschichtliche Fragen verbinden sich mit den allgemeinen der menschlichen Existenz wie Vergessen, Angst, Lust, Anpassung, Freiheit und Toleranz. Er bedient sich dazu einer Vielzahl kleiner, farbig bemalter Tonfiguren, die er unter anderem „Ersatzmenschen“ nennt. Sie sind oft bizarr überzeichnet, satirisch zugespitzt oder phantastisch verfremdet und agieren Schauspielern gleich in erzählerischen Kompositionen miteinander. In den dazugehörigen Fotografien verwischt Volker März die Relationen zwischen Skulptur und Umwelt – perspektivisch wie physisch – indem sie durch die Wahl der Perspektive menschengroß oder gar monumental erscheinen lässt.
Volker März ist ein politisch denkender und arbeitender Künstler, der seine Reflexionen in einem erzählerischen Rahmen vor uns ausbreitet. Ganz im Sinne seiner gesellschaftlichen Themen, die alle Lebensbereiche berühren, beschränkt sich Volker März nicht auf eine Kunstgattung, sondern arbeitet spartenübergreifend in Bildender Kunst, Musik und Literatur.
Für die Stern-Wywiol Galerie wird der Künstler unter dem Titel „Ooops … I‘am so sorry for the truth!“ eine breit angelegte Gesellschaftskritik mit Themen wie Erziehung, Rassismus und Kolonialismus einrichten. Hauptfigur, roter Faden, metaphorische Hilfe wird die Figur eines Esels mit roten Ohren sein, der als kluges, gelassenes Tier den Menschen mit all seinen Problemen, Träumen und Handicaps (er-)trägt. Volker März‘ „Esel“ ist der Humor, der auch die schwierigsten Themen für uns erschließt und uns einen Modus an die Hand gibt, uns und die Welt anzunehmen.
Warum eigentlich meinen Vernissagebesucher, sie bräuchten eine Rede der Galeristin, um die ausgestellte Kunst „richtig“ anschauen zu können?
Ich glaube, es liegt am spezifischen, dinglichen Charakter der Kunst, vor allem, wenn es sich um Skulpturen handelt. Denn da steht uns etwas gegenüber, das im Gegensatz etwa zu einem Text oder auch einem zweidimensionalen Bild viel unmittelbarer, weniger abstrakt wirkt. Gerade bei den Skulpturen von Volker März scheint mir das offensichtlich der Fall zu sein:
Denn sie wirken ja ganz klar und eindeutig als Gegenüber, alles ist genau erkennbar, realistisch abgeformt und bunt bemalt, fast wie ein Spielzeug, das ja auch meist ganz eindeutig und simpel ist in seinem Wesen. Mit Puppen übrigens spielen unsere Kinder Stellvertreterspiele, in denen alles möglich ist, die viel über die Kinder, aber auch über uns selbst aussagen.
Bei Volker März Figuren wird spätestens auf den zweiten Blick klar, dass das Eindeutige eine falsche Fährte ist. Da haben zum Beispiel alle Figuren rote Ohren – ein Bild, eine Metapher für das „Auf Empfang stehen“, für Kommunikation. Oder die vielen Affen, die als noch nicht fertiggestellte Menschen uns an unseren Ursprung, unseren Stammbaum, unseren tierischen Wesenskern erinnern. Oder die vielen goldenen Kugeln, die auf oder unter Köpfen liegen, bedeutungsvoll in der Hand gehalten oder anstatt von Augen getragen werden. Gold ist kostbar, ist ein Symbol für Reichtum, ist also erstrebenswert, wir hängen daran und es hängt aber auch an uns. Die Horizontalisten sind davon unberührt, sie streben nicht danach, und den Affen denken über diese spezielle Art menschlicher Werte nach.
Wenn Sie dann die Texte von Volker März lesen, an den Wänden und im Künstlerbuch, so können Sie die Skulpturen als plastische Miniaturen lesen, die im Dienst von Volker März‘ Geschichten stehen, sie illustrieren und begleiten. Sie sind wie einzelne Gedanken aus seinen Geschichten, sind Metaphern, poetische Bilder für Inhalte, die meist nicht in zwei Sätzen zusammengefasst werden können.
Gemacht sind die Figuren denkbar einfach – Ton, mit der Hand geformt und gebrannt und anschließend bemalt. Volker März betreibt Malerei auf plastischem Fonds, mischt die künstlerischen Disziplinen, fügt Texte, Performances, Songs, Installationen, Fotos und Gemälde hinzu und führt all das in den Ausstellungen zusammen. Lassen Sie sich provozieren und verunsichern, erheitern und anregen, und hinterfragen Sie ein paar ihrer Gewissheiten.
Ich darf Sie noch hinweisen auf unseren Katalog, der diesmal ein vom Künstler gestaltetes Künstlerbuch ist. In der Ausstellung liegt es zur Ansicht aus. Nehmen Sie gern eines mit nach Hause – hier am Fenster liegen eingeschweißte Exemplare. Andere, frühere Bücher von Volker März können Sie käuflich erwerben. Am Tresen liegen Preislisten aus, die entsprechend des Rundgangs geordnet alle Werke mit den Titeln und sonstigen Angaben.
Und wenn Sie glauben, dass Sie jetzt alle Reden überstanden haben, so haben Sie sich getäuscht. Volker März verfügt über die angenehme Eigenschaft, auch als Vernissageredner sehr begabt zu sein und ich übergebe also das Mikrofon an den Künstler. Übrigens glaube ich persönlich nicht, dass es ihm Leid tut, die Wahrheit zu sagen.
Dr. Kathrin Reeckmann